Deutschland im Juli 2006. Das Fifa-WM-Fußballfieber ging langsam zu Ende. Die deutsche Elf war unverdient im Halbfinale stecken geblieben. Ich steckte dagegen nach wie vor kniehoch in meinem eigenen Saft angesichts dieser Mörderhitze im Office. Meine Spürnase von einem Zinken hatte ich mir beim Cabriofahren auch schon verbrannt. Mr. Walbroel, bei diesem Wetter auch besonders nölig, öffnete mit einem lauten Rums meine Bürotür und nervte mich mit irgendwelchen Rechnungen. Konnte er nicht einmal seine rheinische Klappe halten? Da ertönte die deutsche Nationalhymne: mein Telefon. Ich grapschte nach dem Hörer. Am anderen Ende der Leitung meldete sich die Piepsstimme von Mausi Schmidt, eine etwas ältliche Dame aus dem Vorzimmer von Manuel Droschak. Droschak war in ganz München berühmt für seine Riesenauswahl an Schaufensterpuppen in allen Größen und Formen. Mausi Schmidt quietschte außergewöhnlich hoch ins Telefon und faselte etwas von Blut und Lineal und Puppen-Schlachtfeld. Träge von der Hitze fiel es mir nicht schwer, beruhigend und langsam auf sie einzureden und ihr meine Hilfe anzubieten. Ich bewegte meinen überdimensionalen Hintern zur Landsbergerstraße vor, setzte meinen grünen Strohhut auf und ließ mich im Cabrio nieder. Mit Vollgas fuhr ich zu Droschak und fand eine leichenblasse Mausi Schmidt vor, umringt von gespensterhaft wirkenden Puppen, Armen, Beinen und Köpfen, die allesamt mit Farbe verschmiert und quer über das ganze Büro verteilt waren. Nachdem ich Mausi ihre Baldrianpillen hervorgekramt hatte und sie sich mit einem Glas Wasser in die Ecke gesetzt hatte, nahm ich meine Ermittlungen auf. Direkt auf ihrem Schreibtisch lag ein rot verschmiertes Lineal, dessen Farbe aber schon angetrocknet und von einer seltsamen Konsistenz war. Selbst so ein Blindfisch wie ich sah, dass es sich dabei nicht um Blut handeln konnte. Da hatten die inzwischen etwas schwachen Augen Mausi Schmidt wohl einen Streich gespielt. Bei genauerem Hinsehen wurde mir klar, dass es sich um handelsübliche Fingerfarbe handeln musste, wie sie Kinder oft benutzten. So ein Durcheinander konnten doch überhaupt nur Kinder veranstalten, wie ich oft bei meiner Schwester und deren Kindern sah! Das war die ultimative Spur und ich rieb mir die Nase vor Freude, die sich aber schnell in Schmerz umwandelte, da der Sonnenbrand sein übriges tat. Ich fragte Mausi Schmidt, ob sie sich vorstellen könne, dass Kinder Zugang zu ihrem Büro hätten. Sie reagierte mit einem ungewöhnlich lauten Knurren und entgegnete mir, dass Droschaks Kinder am Wochenende öfter mit ihrem Vater ins Büro kämen und ihre Stifte zum Bildermalen benutzten. Da Droschak auf einem Außentermin war, wählte ich die Nummer von Droschaks Privatanschluss, um bei seiner Ehefrau nachzufragen. Frau Droschak schien jedoch ahnungslos zu sein und versprach, sich zu melden, sobald sie mit ihrem Mann und den Kindern Juli und Paul gesprochen habe. Nach 10 Minuten klingelte das Telefon erneut und Frau Droschak gestand kleinlaut, dass ihr Mann wohl gestern noch mit den beiden im Büro gewesen sei, um etwas dringendes zu erledigen, während sie ihre allmontägliche Yoga-Stunde absolviert hätte. Vor lauter Arbeit hätte ihr Mann gar nicht bemerkt, welchen Saustall Juli und Paul im Büro von Frau Schmidt veranstaltet hätten. Als er das Malheur bemerkt hätte, wäre es auch schon Zeit fürs Abholen von der Yoga-Schule gewesen und heute Morgen hätte er verschlafen, so dass er nicht mehr zum Aufräumen in die Firma gekommen sei. Mausi Schmidt musste unwillkürlich lachen, als ich ihr den recht harmlosen Tathergang schilderte. Sie hatte eben doch ein Herz für Kinder und mochte die beiden Knirpse viel zu sehr, als dass sie es Juli und Paul hätte übel nehmen können. Wir machten uns gemeinsam an die Aufräumarbeiten und ich war erleichtert, dass mein neuer Fall so ein Happyend gefunden hatte. Mausi Schmidt lobte mich und mein überdurchschnittliches Engagement in den höchsten Tönen, das sie zusammen mit der guten Ware von Krumm zu einer treuen Kundin gemacht hätten. Daraufhin gönnte ich mir auf der Rückfahrt zum Office noch ein Eis, das mir natürlich zur Hälfte mal wieder in die Brusthaare oberhalb meines halbzugeknöpften Hemdes rutschte. Manche Kommissare wurden eben nie erwachsen.
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